Im Amazon-Dschungel: Eine Expeditionsnotiz

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Ich gestehe es: Sowohl ich privat als auch der Verlag, an dem ich maßgeblich beteiligt bin, arbeiten in mannigfaltiger Weise mit dem Bösen zusammen. Also mit Amazon. Nun hat man ja in der ZEIT nachlesen können, wie schrecklich knapp zwei Dutzend großkopfete und (teils selbsternannt, teils von des bürgerlichen Feuilletons Gnaden)  „bedeutende“ Autoren unser aller Lieblingsverlagshändler finden, von Roger Willemsen bis Jonathan Frantzen.
Wie geht man damit um? Klar, zunächst könnte man es sich einfach machen und sagen „also wenn Sibylle Lewitscharoff öffentlich bekundet, Amazon mies zu finden („Es wäre mir lieb, wenn dort überhaupt keine Bücher mehr vertrieben würden“), dann müssen die eigentlich super sein.“
Man kann aber auch die Klagen ernst nehmen und drüber nachdenken. Das getan habend beschleicht mich zunehmend der Verdacht, die sog. Publikumsverlage nehmen hier eine Mischposition ein aus dem Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind, und dem, den es grämt, dass andere bessere Ideen früher hatten und einfach näher am Kunden sind (bzw. überhaupt noch welche haben).
  • Was die vielbeklagten Konditionen angeht: Die kann man verhandeln. Klar, das ist Arbeit, aber es geht. Und mehr als das Barsortiment fordert Amazon vielleicht, man darf es halt dann nicht einräumen.
  • Ja, Amazon scheint, wenn man den Medien glauben schenken kann, seine Mitarbeiter schlecht zu bezahlen. Da ist dringend Handlungsbedarf geboten. Für so was haben wir Gewerkschaften, und da muss evtl. sogar mal der Gesetzgeber Eier beweisen.  Dann tanzen in Bad Hersfeld bestimmt bald auch abends die Mitarbeiter frohlockend über den Geldsegen aus dem Haus wie heute schon, sagen wir, aus manchem Münchner Publikumsverlag.
  • Ansonsten zitiere ich den Kollegen Klaus Frick: „Amazon ist nicht deshalb der größte Versandhändler geworden, weil man dort böse ist. Amazon ist erfolgreich, weil er die gültigen Schlupflöcher im Steuerrecht ausnutzt, weil er sich beim Lohn an die kapitalistischen Grundregeln hält und Subventionen dort abgreift, wo der Staat sie bereitwillig hinlegt.“ Ob wir (also der Staat) das wollen, haben wir in der Hand (s. o., Eier haben & Staat).

Hingegen:

  • Ohne Amazon wäre F&S vermutlich schon tot. Im Grunde alle Buchhandelsketten beweisen kleinen Anbietern gegenüber blanke Ignoranz. Ihre Ausstellungsflächen kosten Geld, Katalogplatzierungen kosten Geld … aber DAS ist natürlich nicht böse & kapitalistisch.
  • Wenn ich für Amazon freelance, verdiene ich gut.
  • Viele Selfpublisher haben Amazon einiges zu verdanken

Also, liebe Publikumsverlage, Ball flachhalten und wenn ihr mit An-die-eigene-Nase-fassen fertig seid, den Finger in die hausgemachten Wunden legen. Dass Frau Lewitscharoff & Co. das Lied dessen singen, dessen Brot sie essen und das konservative Bewahrfeuilleton das herumposaunt, kann ich aus pekuniärem Blickwinkel verstehen. Aber: anderer Sport, andere Liga.

So, das war’s für den Moment … ich muss weiterarbeiten, ich mach‘ nämlich was mit Büchern.