Verstörende Bilder, aber wohl doch nicht „Mein Kampf“

Nun hat es Kleine Ängste auch nach Österreich geschafft. Das meint man in der Alpenrepublik:

Kleine Ängste: Alptraum-Edition

Monster sind real und lauern den Kindern in den Schatten auf. Ihnen bleiben nur ihre Geistesschärfe, ihr Glaube und ihre Freunde. Erwachsene können ihnen nicht helfen. Niemand kann sie retten, wenn sie es nicht selbst in die Hand nehmen.

Es ist schon einige Jahre her, da gab es eine deutsche Übersetzung von Little Fears / Kleine Ängste beim Feder und Schwert Verlag. Das damalige Spiel wurde aufgrund seiner Thematik sehr kontrovers diskutiert. Da mir jedoch die damalige Ausgabe nicht vorliegt, werde ich im Folgenden auch keinen Vergleich der beiden Ausgaben anführen und mich lediglich auf die aktuelle Version beziehen.

Das Buch Kleine Ängste: Alptraum Edition hinterlässt direkt auf den ersten Blick einen positiven Eindruck. Ein stabiles Hardcover im DIN-A5 Format, 226 Seiten und ein ansprechendes Cover zeichnen das Buch aus. Die Texte sind gut zu lesen, die Randillustrationen unterstreichen das Thema Kind. Die größeren Illustrationen haben manchmal etwas Verstörendes und entsprechen mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack. Neben einem Einleitungskapitel unterteilt sich der eigentliche Spielinhalt in sechs Kapitel.

  • Kapitel Eins: Ist doch nur ein Spiel
  • Kapitel Zwei: Wieder klein sein
  • Kapitel Drei: Schutzengel
  • Kapitel Vier: Die große, weite Welt
  • Kapitel Fünf: Unter dem Bett
  • Kapitel Sechs: Gruselgeschichten

Die erwähnte Einleitung befasst sich mit der Erläuterung, was ein Erzählspiel im Allgemeinen und Kleine Ängste im Besonderen ausmacht und gibt dabei noch einen kurzen Überblick über die nachfolgenden Kapitel. Die Spieler verkörpern hier Kinder, welche sich aber nicht als hilflos herausstellen, sondern kleine Helden sind, welche den Kampf gegen die Monster aus dem Land „Unter dem Bett“ aufgenommen haben.

Die Spielregeln werden im ersten Kapitel erklärt. Das Würfelsystem, welches dem Spiel zu Grunde liegt ist sehr einfach gehalten. Man benötigt lediglich gewöhnliche sechsseitige Würfel für das Spiel und ein paar Marker. Die Erläuterungen, was man für eine Rollenspielrunde benötigt und wie man vorgehen soll, sind detailliert und sehr verständlich aufgebaut. Doch zurück zum grundlegenden Würfelsystem. Jeder Charakter verfügt über die fünf Grundeigenschaften: Hände und Füße, Muskeln, Köpfchen, Mund und Geist. Der Wert in einer Eigenschaft gibt an, wie viele sechsseitige Würfel für einen Würfelwurf herangezogen werden. Drei dieser Würfel werden als Ergebniswürfel benutzt und ihre Augen addiert, hier bietet es sich an, die Würfel mit den höchsten Werten zu nehmen. Wird eine sechs gewürfelt, „explodiert“ der Würfel, das heißt man darf den Würfel erneut würfeln und addiert beide Werte. Mit dem Ergebnis gilt es eine vom Spielleiter festgelegte Zielzahl zu erreichen, bei einer durchschnittlichen Probe beträgt diese 9.

Neben den grundlegenden Würfelproben wird selbstverständlich auch noch der Kampf explizit erläutert und wie sich die Auswirkungen darstellen. Bei Kleine Ängste gibt es auch ein Äquivalent zur Magie, welche sich hier durch den Glauben widerspiegelt. Charaktere können an sich und an andere Glauben, mit Glauben lassen sich auch viele der Monster endgültig besiegen.

Kapitel zwei befasst sich ausgiebig mit der Charaktererschaffung. Allen voran steht ein Charakterkonzept, welches den Charakter grob beschreibt. Dies können zum Beispiel der Außenseiter, die Prinzessin oder auch der Unruhestifter sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Alter bei Kleine Ängste, Charaktere sind in der Regel zwischen 6 und 12 Jahren alt. Junge Kinder haben einen größeren Glauben, sind dafür aber körperlich und geistig nicht so weit entwickelt wie ältere Kinder. Mit steigendem Alter schwindet der Glaube und die Fähigkeit die Monster wahrzunehmen. Nach den Grundeigenschaften werden noch weitere Eigenschaften dem Charakter zugeordnet, welche ihm ein entsprechendes Profil verleihen sollen. Jedes Kind verfügt außerdem noch über Krimskrams, das sind ganz persönliche besondere Gegenstände, welche dem Charakter einen Bonus oder eine besondere Fähigkeit gewähren können.

Das dritte Kapitel richtet sich vorrangig an den Spielleiter. Hier geht es um die Aufgaben des Spielleiters und welche Verantwortung er trägt. Es wird erläutert wie eine Handlungsabfolge aussehen könnte und was es zu beachten gilt. Unterschiedliche Arten von Szenen werden ebenso erläutert wie Tipps zur Darstellung von Nichtspielercharakteren. Kapitel drei beinhaltet auch die Regelung zur Vergabe von Erfahrungspunkten, hier Gummipunkte genannt, und was passiert wenn ein Charakter im Spiel altert und seinen Geburtstag begeht. Abschließend werden noch einige Stellschrauben erläutert und auch welche Arten von Geschichten Kleine Ängste bedienen kann. Hier unterscheidet der Autor zwischen Gruselgeschichten, also Geschichten mit seltsamen und phantastischen Elementen, Düsteren Märchen, Geschichten angelehnt an Grimms Märchen oder Alice im Wunderland. Und dann noch Echten Horror, wie er sich in den Schlagzeilen der heutigen Zeitungen finden lässt. Hier wird darauf hingewiesen ein entsprechendes Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen und die Spielart mit seinem Mitspielern zu besprechen.

Kapitel vier beschreibt die reale Welt der Kinder. In welche Schule gehen sie? Wie sieht ihr Alltag aus? Wie sieht das Elternhaus aus? Solche und weitere Fragen versucht das Kapitel zu beantworten. Weiterhin werden noch einige Streiter gegen die Monster erläutert, die den Kindern gegebenenfalls zur Hilfe kommen können.

Im fünften Kapitel wendet man sich nun der Welt „Unter dem Bett“ zu, also jener Welt aus der die Monster stammen, welche es auf die Kinder abgesehen haben. Wichtig ist hier unter anderem wie der Übergang in diese Welt funktioniert, hier gibt es einige unterschiedliche Arten. Dann wird dieses Land der Monster erklärt und einige besondere Schauplätze werden genauer beleuchtet. Der Herr des Landes „Der Schwarze Mann“ darf in dieser Betrachtung natürlich nicht fehlen. Abschließend gibt es in diesem Kapitel noch Hinweise zur Erstellung von Monstern, Regeln für Monster und einige Beispiele für Monster.

Das sechste und letzte Kapitel bietet Beispielcharaktere mit denen man gleich das mitgelieferte Abenteuer „Die Häuser am Apfelhof“ spielen kann. Im Anschluss daran gibt es Abenteuervorschläge, welche vom Spielleiter für spannende Geschichten ausgebaut werden können. Abgerundet wird das Buch von einer mehrseitigen Regelübersicht und den Vorlagen für den Charakterbogen und den Spielleiterhilfen.

Fazit
Die vorliegende Version von Kleine Ängste gefällt mir recht gut. Optisch ist das Buch meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Die Illustrationen sind teilweise etwas gewöhnungsbedürftig, passen aber zum Thema. Das Regelsystem ist leicht zu verstehen und auch nicht kompliziert in der Anwendung während des Spiels. Das Thema Kindheitsängste birgt sicherlich einige Fallstricke, welche es in meinen Augen zu vermeiden gilt. In einer Spielrunde würde ich auf Gruselgeschichten oder düstere Märchen als Rahmen zurückgreifen, auf den realen Horror kann ich sehr gut verzichten. Wer weiß schon, ob nicht die eine oder andere schlechte Erinnerung dabei hervor kommt. Sprecht auf jeden Fall über Spielstil und Art der Geschichten mit euren Spielern.

Gerade bei den düsteren Märchen muss ich auch an das Rollenspiel Grimm von Fantasy Flight Games denken. Diese Art von Geschichten lassen sich mit Kleine Ängste ohne große Komplikationen spielen.

Wer vor Kindern als Protagonisten nicht zurückschreckt und eine Spielgruppe hat, die sich für das Thema interessiert, sollte sich das Buch auf jeden Fall anschauen.

© Stefan Schwiedland

Kinderschänderrollenspiel?

… und die Diskussion geht in die nächste Runde. Das Blutschwerter-Forum rezensiert ein zweites Mal. SO schlecht scheint es gar nicht zu sein, das Spiel:

Kleine Ängste:

Alptraum Edition [Team-Rezi]

Veröffentlicht: 10.10.11 23:29

Nachdem vor mittlerweile 10 Jahren das Rollenspiel „Little Fears“ mit seiner interessanten Perspektive, Kinder als Protagonisten zu spielen, den Markt erobert hatte, liegt nun mit der „Nightmare Edition“ die erste Überarbeitung des Regelwerkes vor. Feder & Schwert konnte auch diesmal wieder die Lizenz für eine deutschsprachige Übersetzung erringen und veröffentlichte im September 2011 die mir hier vorliegende „Kleine Ängste – Alptraum Edition“. Wie viel Inhalt nun tatsächlich in dem kleinen Buch steckt, soll im Folgenden geklärt werden.

Erscheinungsbild:

Denn um ein kleines Buch handelt es sich hier tatsächlich – passend zum Inhalt, könnte man jetzt annehmen. Gerade einmal 15 auf 22 Zentimeter misst es und ist damit noch einmal vom Format her deutlich kleiner als die Vorgängerversion. Aber auch wenn das Buch damit im Rollenspielregal eher auffällt, mit seinen 220 Seiten braucht es sich nicht verstecken. Alles in allem ist hier etwa genau so viel Inhalt enthalten, wie im Vorgänger, durch die kleineren Seiten entsteht so aber – meiner Meinung nach – ein angenehmeres Verhältnis von Format zu Buchdicke als beim Vorgänger, der schon sehr schmal daher kam.
Das Cover ist eine groteske Collage aus einem grimmig gebleckten menschlichem Gebiss (auch wenn das schwarze Zahnfleisch sehr dämonisch anmutet), das in einem Durchbruch hinter einer düsteren Wand sichtbar ist. Auf die Wand sind mit weißer Kinderschrift Strichmännchen gemalt und ein purpurner Schmetterling klebt wie eine Träne aus Blut neben dem Wanddurchbruch. Alles in Allem also ein durchaus der düsteren Thematik angepasstes Erscheinungsbild.
Dieser meiner Meinung nach positive Eindruck setzt sich im Inneren fort. Zwar offenbart der direkte Vergleich der beiden Editionen von Kleine Ängste, dass durchaus einige Innenillustrationen aus dem Vorgänger übernommen wurden, IMHO handelt es sich dabei aber durch die Bank weg um gut gelungene. Auch hier wurde sehr gute Arbeit geleistet, passen die Bilder doch immer sehr gut zum Inhalt und unterstützen diesen sehr gut.

Inhalt:

Wie schon der Vorgänger weist auch die Alptraum Edition ein ausführliches Inhaltsverzeichnis auf. Dieses finde ich persönlich so gut und klar strukturiert, dass das Fehlen eines ausgearbeiteten Index nicht negativ ins Gewicht fällt: Anhand des Verzeichnisses ist schnell jede Textstelle gefunden, um etwaige Wissenslücken zu füllen oder Regelfragen zu klären.
Das Buch selbst teilt sich in ein Einleitungskapitel und 6 Inhaltskapitel auf.
Einleitung: Wachträume entführt den Leser in die Welt von „Kleine Ängste“. Dabei wird ausführlich auf die Stimmung, das Thema und die Grundzüge des Rollenspiels an sich eingegangen. Die Ausführungen zu letzterem können von geübten Rollenspielern zwar problemlos überblättert werden, sind aber netterweise sehr schlank gehalten, so dass auch erfahrenere Leser sich nicht allzu sehr belästigt fühlen.
Im anschließenden Kapitel Eins: Ist doch nur ein Spiel… wird gleich ohne Umschweife das verwendete Regelwerk vorgestellt. Insgesamt finde ich es persönlich sehr angenehm, wenn zuerst der „Regelsermon“ geklärt, bevor tiefer in die Beschreibung der Welt abgetaucht wird. Viele Rollenspielwerke geben zuerst eine Zusammenfassung der Welt, driften dann irgendwann in die Charaktererschaffung und die Regeln ab und greifen dann die Beschreibung der Welt wieder auf. „Kleine Ängste“ geht hier einen sehr konsequenten, schlanken Weg. Dies würde es als Regelwerk (meiner Meinung nach) relativ einsteigerfreundlich machen – auch wenn ich zugeben muss, dass der rollenspielerische Anspruch des Buches alles andere als einsteigerfreundlich ist – dazu jedoch noch einmal später.
„Kleine Ängster – Alptraum Edition“ bedient sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger eines W6 Poolsystems mit explodierenden Würfeln. Der Würfelpool besteht dabei aus der Anzahl an Würfeln, die der Charakter in dem für den benötigten Wurf betroffenen Attribut hat. Die Attribute sind:

  • – Hände und Füße
  • – Muskeln
  • – Köpfchen
  • – Mund
  • – Geist

Zusätzlich wird der Würfelpool um bestimmte Eigenschaften erweitert. Hat ein Charakter zum Beispiel die Aufgabe, einen Boxsack zu treffen vor sich und den Vorteil „ich schlage zu wie Klitschko +3“ sowie das Attribut Muskeln 3, hat er einen Würfelpool von 6 Würfeln.
Der Erzähler legt einen Zielwert fest, den der Spieler mit seinem Würfelwurf übertreffen muss, beispielsweise für eine faire Schwierigkeit einen Zielwert von 9. Die drei höchsten Würfelergebnisse des Wurfes werden addiert und müssen insgesamt über dem Zielwert liegen, um einen Erfolg zu garantieren. Allerdings wird hier von ‚explodierenden 6ern‘ ausgegangen, sprich: Jede 6 die gewürfelt wird, darf noch einmal gewürfelt werden und wird zum ursprünglichen Wurf dazu addiert – auch mehrfach.
Unterschieden wird bei Kleine Ängste nach drei verschiedenen Wurfarten.

Die erste – das Quiz – ist eine einfache Eigenschaftsprobe, ob eine Handlung eines Charakters gelingt oder nicht.
Hat beispielsweise der Spieler des Charakters – wir nennen den Charakter mal Paul – beim Wurf eine 3, 1, 4, 6, 5 und 6 gewürfel, so darf er die beiden 6er nachwürfeln. Kommen dabei eine 2 und eine 6 heraus, darf er auch die zweite 6 nachwürfeln. Wenn wir annehmen, dass der dritte Wurf eine 1 ergibt, ist die Erfolgssumme die Summe der drei höchsten Würfelergebnisse, also 5 + (6+2) + (6+6+1) = 26. Der Spieler hat die erforderliche 9 also bravourös übertroffen. Je weiter man übrigens über dem geforderten Ergebniswert liegt, um so glanzvoller ist die Probe gelungen: Je drei Punkte über dem Ergebnis erreicht man einen sogenannten ‚Erfolgsgrad‘, der das Ergebnis zusätzlich verstärkt.

Nun nehmen wir einmal an, dass Paul sich statt mit einem Boxsack mit einem fiesen kleinen Jungen aus der Nachbarschaft prügeln will, der ihn auf dem Spielplatz immer drangsaliert. Um kein neues Beispiel aufzumachen nehmen wir weiter an, er hätte den selben Würfelwurf noch einmal getätigt (kommt mir jetzt bitte nicht mit Wahrscheinlichkeit…). Der fiese Antagonist hat ebenfalls einen Würfelpool von 6 Würfeln und würfelt eine 1, 3, 3, 4, 4, 6, die 6 würfelt er noch mal und erzielt eine 2, er hat also ein Wurfergebnis von 4 + 4 + (6 + 2) = 16. Paul liegt damit 10 Punkte über dem Ergebnis seines Gegners. Für je 3 Punkte erhält er dabei einen zusätzlichen Erfolgsgrad. Der Gegner erleidet also einen Schadenspunkt plus die drei Erfolgsgrade, also insgesamt 4 Punkte. Hätte Paul mit einer anderen Waffe zugeschlagen oder gar eine Schusswaffe verwendet, wären zu den 3 Erfolgsgraden andere Modifikatoren hinzuaddiert worden (beispielsweise der niedrigste gewürfelte Würfel oder bei Schusswaffen der höchste Würfel verdoppelt).
Diesen Würfelwurf nennt man dann übrigens einen Test, vergleichbar mit einer „Handlung gegen Widerstand“ in anderen Systemen.

Erweiterte Handlungen werden mit Klausuren gelöst, also wiederholten Würfen, die über Zeit Erfolge sammeln.

Klingt also insgesamt recht einfach? Ist es auch. Das System ist schlank und macht Spaß. Das gibt bei mir sofort Sympathiepunkte. Mit diesen wenigen Spielmechaniken kann so gut wie jede Tätigkeit einfach, mit wenigen Würfen und halbwegs übersichtlich beschrieben werden. Hat man sich einmal an die Regelmechaniken gewöhnt, geht das System sehr flott und angenehm von der Hand und Kämpfe können relativ schnell abgehandelt werden.
Zusätzlich zu ihren körperlichen und geistigen Attributen verfügen Kinder in „Kleine Ängste“ aber noch über eine Eigenschaft, die sie von den Erwachsenen unterscheidet: Glaube. Glaube ist buchstäblich die Macht, die Berge versetzt. Glaube ist unlogisch. Glaube ist mächtig. Glaube ist Magie. Regeltechnisch bedeutet das, dass man damit seinem eigenen oder einem anderen Charakter zusätzliche Würfel für den Würfelpool hinzugeben kann. Je nach Ausgang kann das übrigens zusätzliche Auswirkungen haben: Hatte die betroffene Handlung Erfolg, so erhält man den eingesetzten Glaubenspunkt zurück (oder bei besonders viel Erfolg sogar zusätzliche Glaubenspunkte), bei Misserfolg kann man wiederum Glaubenspunkte verlieren.

Die Spielmechanik durch einen Punktepool Würfe zu beeinflussen ist nicht besonders neu, sie erinnert unter anderem ein wenig an die „Perversity Points“ von Paranoia. In Zusammenhang mit bzw. in Bezug auf einen kindlichen Glauben jedoch macht sie das System noch ein kleines wenig einzigartiger und gibt ihm ein nettes Flair!
Ein Spielercharakter hat aber neben seinem Glauben noch zwei weitere Eigenschaften:
Mut und Seele.
Mut ist relativ simpel erklärt: Je höher der Wert, um so tapferer kann der kleine Recke weltlichen und monströsen Gefahren trotzen. Sinkt der Wert zu stark, so wird aus dem tapfersten Racker ein verängstigtes kleines Kind.
Seele repräsentiert das Widerstandspotential eines Kindes gegen magische Attacken. Verliert ein Kind zu viel seiner Seele, kann es (Meister Yoda und Darth Vader lassen grüßen) auf die dunkle Seite rutschen. Kinder mit niedrigen Werten in Seele werden depressiv, lustlos, aggressiv, bösartig…

Durch diese beiden zusätzlichen Regelmechanismen wird es möglich, sehr vielfältige Charaktere und auch deutliche Charakterwandel darzustellen. Beide Werte (Mut und Seele) sind übrigens reversibel: Durch fürsorgliches Kümmern umeinander können verlorene Punkte regeneriert werden.
Alles in allem also IMHO ein gelungenes Regelsystem.

Kapitel 2: Wieder klein sein widmet sich ganz der Charakter-Er- und –Darstellung. So wird passenderweise zuerst darauf eingegangen, was alles dazu gehört, ein Kind zu spielen. Kinder denken anders, sehen die Welt anders, haben einen ganz anderen Blickwinkel und handeln daher ganz anders. Darin besteht aber bei „Kleine Ängste“ nicht nur der Reiz, sondern auch die Herausforderung. Es ist also durchaus angebracht, diesen Aspekt näher auszuführen.
Im Anschluss sind die Regeln zur Charaktererschaffung aufgeführt sowie die Liste der Vor- und Nachteile. Alles in Allem geht die Charaktererschaffung sehr flott und problemlos von der Hand. Durch die relativ langen Listen an Vor- und Nachteilen sind sehr differenzierte Charaktere möglich, so dass es keine „kleine Gruppe an Standard-Charakteren“ gibt, sondern eine weite Vielfalt.

Kapitel 3: Schutzengel ist primär auf den Erzähler ausgerichtet. So wird hier die Erstellung der Spielercharaktere als Gruppe, das Konzipieren einer Chronik sowie der Einstieg in eine Geschichte abgehandelt. Angenehm finde ich hier vor allem, dass auch auf eine stimmige Zusammenstellung der Charaktergruppe eingegangen wird. Außerdem werden Regelmechanische Details wie die Wahl der richtigen Zielzahlen für Würfe (Quiz, Test und Klausur) sowie ein Überblick über stimmige NSCs und „kindgerechten“ Horror gegeben. Abgerundet wird das Ganze mit einigen Ratschlägen für den Erzähler.

In den beiden folgenden Kapiteln wird die Welt von „Kleine Ängste“ beschrieben. Kapitel 4: Die große weite Welt widmet sich dabei den Problemen, denen sich die Kinder-Charaktere in der realen Welt gegenüber sehen: In der Schule, im Alltag, den Eltern, anderen Kindern aber auch „guten“ und „bösen“ übernatürlichen Wesenheiten. Außerdem werden auch ‚Schätze‘ angesprochen, die den Kindern helfen ihre Aufgaben zu erfüllen.

Kapitel 5: Das Land unter dem Bett hingegen geht näher auf die unnatürliche, ja übernatürliche Parallel-Welt ein, die nur Kinder in der Lage sind wahrzunehmen. Eben „das Land unter dem Bett“. Aus dem Englischen übrigens sehr passend übersetzt. Dort war noch vom ‚closet-land‘ die Sprache, dem Land im Wandschrank. Denn dort sind im US-amerikanischen Kulturraum nach Kindermärchen die Monster beheimatet. Nun, wie man diesen Ort auch nennt, er ist die Wiege der Monster, die Kinder in ihren Alpträumen verfolgen. Doch leider nicht nur dort. Denn die Grenzen zwischen den Welten sind fließend. Immer wieder tun sich Risse in der Realität auf, durch die Monster in unsere Welt gelangen können… und nur kleine, tapfere Helden können sie dort stoppen. Doch diese Risse in der Realität sind keine Einbahnstraßen: Auch Kinder können auf ihren gefährlichen Reisen in das Land unter dem Bett gelangen und dort unsäglichen Schrecken entgegentreten.
Dieses Kapitel ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Gibt es doch dem Erzähler nicht nur einen guten Überblick über die Welt, die die Macher von „Kleine Ängste“ geschaffen haben, sondern lässt ihm auch noch genügend Spielraum, um seine eigenen Ideen einzubringen und seine eigene Fantasie spielen zu lassen. Abgerundet wird es jedenfalls durch eine Sammlung an Beispielmonstern, an denen man sich als Spielleiter einer Sitzung sehr gut orientieren kann, um auch selbst Antagonisten zu erschaffen.

Im letzten Teil des Buches, Kapitel 6: Gruselgeschichten werden dem Spielleiter ein paar Setting-Spezifische Tips zur Hand gegeben: Von den „Klassikern“ der Abenteuertypen, die seine Spieler mit ihren Charaktere erleben können, über eine ganze Reihe an Beispiel-Spielercharakteren bis hin zu einem recht ausführlich skizziertem Beispiel-Szenario, so dass einem zügigen Spielbeginn nach Lektüre dieser Seiten nichts im Wege steht.

Fazit:
Wahrscheinlich ist es unnötig zu erwähnen, dass „Kleine Ängste: Alptraum Edition“ kein wirkliches Einsteigerrollenspiel ist. Ich persönlich begrüße zwar die Versuche der Redaktion, das Buch so einsteigerfreundlich wie möglich zu gestalten, meiner bescheidenen Meinung nach ist die Thematik, Kinder darzustellen aber eine eher fortgeschrittene rollenspielerische Herausforderung. Vielleicht lege ich aber auch nur die Messlatte dafür sehr hoch oder habe höhere Erwartungen, als Andere. Nichts desto trotz halte ich „Kleine Ängste: Alptraum Edition“ für sehr gelungen.

Zugegeben: Das Setting ist nicht einzigartig. Man könnte sicherlich auch mit anderen Systemen (allen voran zum Beispiel dem der nWoD) ein sehr sehr ähnliches Setting mit sehr sehr ähnlichem Feeling schaffen. Nichts desto trotz behält „Kleine Ängste“ seinen ganz eigenen Charme. Zwar kommt gerade durch die Einführung des neuen Pool-Systems eine kleine Ähnlichkeit zum White-Wolf-System auf, die Eigenheiten der Spielmechanik (Glaubenspunkte, Mut und Seele) lassen es aber immer noch selbständig wirken. Der zuvor genannte Charme bleibt. Das System schafft es nicht nur, mich mechanisch zu überzeugen, beim Durchlesen des Regelwerkes konnte ich gut nachvollziehen, wie beim Spielen eine geradezu kindliche Atmosphäre aufkommt – gespickt mit Horror, jugendlichem Tatendrang und einer Prise übernatürlicher Bedrohung.

Das einzige, was nicht so ganz zu dieser Atmosphäre gepasst hat, ist die inkonsequente Verwendung von „du“ und „Sie“ in der Anrede des Lesers im Buch. Mir ist klar, dass die englische Vorlage dieses Problem mit dem mengenunspezifischen „you“ nicht hat. Nichts desto trotz hätte ich mir gewünscht, dass das Buch – obwohl es für Erwachsene geschrieben ist – den Leser aus dem Kontext heraus als Kind anspricht. Gesiezt zu werden bricht hier IMHO nur den Zauber, den das Buch versucht aufzubauen.

Das Setting an sich mag nicht für jedermann geeignet sein – nicht jeder stellt gerne Kinder als Protagonisten dar – diesen Anspruch hat aber „Kleine Ängste“ auch nicht: Es ist ein liebevoll ausgearbeitetes, mit einer relativ schlanken Mechanik versehenes und stimmungsvolles Nischen-Liebhaberrollenspiel.

Leider spiegelt sich dies auch preislich wieder: für die knapp 35€, die man für das kleine Schmuckstück zahlt, bekommt man wo anders deutlich umfangreichere Bücher. Das ist tatsächlich der einzige große Kritikpunkt, den ich an der Alptraum Edition habe (auch wenn der Vorgänger bereits in der selben Preiskategorie spielte). Aber irgendwie wollen die Lizenzgebühren und Übersetzungskosten ja auch bezahlt werden. Wer also gerade das Geld im Budget frei hat, sollte sich dieses Kleinod nicht entgehen lassen!

Also nichts desto trotz: 4,5 von 5 Punkte von mir für dieses kleine Rollenspieljuwel!

„Kleine Ängste“ ist „Mein Kampf“

Ja hurra! Kaum haben wir die Alptraum-Edition, die umfassend überarbeitete und inhaltlich neu fokussierte Ausgabe von Kleine Ängste, auf den Markt gebracht, da geht die kontroverse Diskussion um das Spiel wieder los. Unser alter Online-Bekannter, Feder&Schwer-Hasser Zornhau, verglich es in einem Forenkommentar gar mit einer „überarbeiteten Neuauflage von ‚Mein Kampf'“.

Hier die Rezension aus dem Blutschwerter-Forum, die ihn zu dieser steilen Aussage verleitete:

Kleine Ängste
Alptraum Edition [B!-Rezi]

Vor vielen Jahren brachten Feder & Schwert ein Rollenspiel heraus, das zu den bis heute kontroversesten und meistdiskutierten in der Szene gehört – die deutsche Übersetzung von Little Fears, Kleine Ängste. Dieses Spiel, in dem die Spieler typische Kinder verkörperten, thematisierte Kinderängste aber auch Kindesmissbrauch, was zu vielen Diskussionen führte, unter anderem weil viele Spielergruppen solche Themen nicht in ihren Spielen behandelt sehen wollten. Manche gingen sogar so weit zu behaupten das Kleine Ängste den Missbrauch befürwortete. Begleitet von einem Soundtrack und einem Hörbuch von der Band Janus war das Spiel recht schnell ausverkauft und erhielt keine Neuauflage. Vor ein paar Jahre hieß es dann, der Autor des Spiels, Jason L. Blair, würde an einer zweiten Edition des Spiels arbeiten, woraufhin auch F&S eine Übersetzung ankündigte. Diese neue Version des Spiels, die „Alptraum-Edition“, liegt nun vor.

Das neue Kleine Ängste ist auch wieder ein Hardcover-Band, doch wo die Vorgängerversion in einem eigenwilligem Format zwischen A5 und A4 daherkam ist die Alptraum-Edition handlicher, in einem Format das am ehesten dem einer DVD oder eines normalen Hardcover-Romans entspricht. Im Inneren ist das Buch immer noch schwarz/weiß, doch dieses Mal auf schwerem Hochglanzpapier. Viele der alten Illustrationen sind erhalten geblieben, doch finden sich hier auch neue und überarbeitete Versionen alter Bilder. Insgesamt wirken die 230 Seiten des Buchs heller als der Vorgänger, was auch zum neuen Fokus des Spiels passt.

Neben einer Einleitung teilt sich der Text von Kleine Ängste in sechs Kapiteln auf. Die Einleitung erklärt worum es in Kleine Ängste geht, und hier wird schon der veränderte Fokus des Spiels klar. Es geht zwar weiterhin um Kinderängste, aber die Charaktere sind nicht nur Opfer, sondern können auch selbst aktiv werden. Es sind immer noch Gruselgeschichten, aber es bleibt der Gruppe überlassen ob es eher märchenhafte Abenteuer im Sinne von Grimms Märchen, oder dreckige, realistische und kranke Schocker werden. Im ersten Kapitel werden gleich als erstes die neuen Spielmechanismen beschrieben. Bei einer Probe wird ein Attribut ausgewählt, eine dazu oder zur Situation passenden Eigenschaft, und dann werden so viele Würfel gewürfelt wie die Summe der genannten Werte. Die drei besten Ergebnisse werden ausgewählt und addiert, und damit muss ein Schwierigkeitsgrad übertroffen werden – meist neun, aber das kann auch nach oben und unten variieren. Hier finden sich auch Regeln für den Kampf gegen die Monster unter dem Bett, was passiert wenn ein Charakter den Mut verliert und was passiert wenn die Seele eines Kindes Schaden nimmt. Die Regeln unterscheiden sich stark vom Vorgänger, sind aber sehr intuitiv und lassen sich sehr schnell erlernen.

Um ein Rollenspiel spielen zu können braucht man natürlich einen Charakter. Mit diesen beschäftigt sich das zweite Kapitel. Zunächst erklärt der Text die Unterschiede zwischen den üblichen Charakteren in Rollenspielen und denen in Kleine Ängste, und dass man sich erinnern sollte, wie es als Kind war. Danach geht es an die Charaktererschaffung. Nachdem man sich ein Konzept und einen Namen für seinen Charakter ausgedacht hat ist die erste Entscheidung die man treffen muss, das Alter des Charakters. Charaktere in Kleine Ängste können zwischen 6 und 12 Jahre alt sein. Je älter ein Charakter ist, desto höher können seine Werte sein – bis auf Glauben, davon haben jüngere Charaktere mehr. Danach darf der Spieler Punkte auf die fünf Attribute – Hände-und-Füße, Muskeln, Köpfchen, Mund und Geist – verteilen. Jedes Attribut beginnt mit einem Punkt, und es dürfen so viele Punkte verteilt werden wie der Charakter Jahre alt ist. Danach sucht der Spieler eine besondere Stärke und eine Schwäche aus, die den Charakter ausmachen. Jeder Charakter hat außerdem drei Tugenden: Glaube (13 minus Alter), Mut (Köpfchen +4) und Seele (Beginnt mit zehn). Zum Schluss hat jedes Kind außerdem vier oder fünf gute Eigenschaften, Dinge die es kann oder mag, und ein oder zwei schlechte Eigenschaften. Außerdem hat jedes Kind so viele „Krimskrams“ wie er Punkte in Glauben hat – Dinge die dem Charakter helfen könnten bei seinen Abenteuern. Um den Charakter abzurunden sind noch eine Reihe von Fragen auf der Rückseite des Bogens, die der Spieler ausfüllen sollte. Kein Rollenspiel ohne Kapitel mit Hilfen und Tipps für Spielleiter, und da ist Kleine Ängste keine Ausnahme. Hier finden sich aber nicht nur Tipps, sondern auch Regeln für die Vergabe von Erfahrungspunkte und die Stellschrauben zum Anpassen des Spiels.

Das vierte Kapitel ist das erste von zwei Kapiteln welche die Welt von Kleine Ängste beschreiben. Hier wird die wirkliche Welt beschrieben, wie das Leben eines Kindes aussehen kann, und welche Helfer es im Diesseits gibt. Ebenfalls hier sind die Regeln für Schätze, Dinge die Kinder finden können und die – durch den Glauben der Kinder – über besondere Kräfte verfügen. Aber es gibt nicht nur das Diesseits, sondern auch das Land unter dem Bett, die Heimat der ganzen Monster und schlimmerer Dinge, und dieses Land wird im fünften Kapitel beschrieben. Zunächst wird beschrieben wie Kinder dieses Land betreten, und wie sie zurückkehren können – wenn sie Glück haben. Dann geht es an das Land selbst, das meist sehr vertraut aussieht, wenn auch wie durch einen dunklen, zerbrochenen Spiegel. Aber daneben gibt es noch andere Orte, finstere und gefährliche Orte, wie das Puppenhaus, der Zauberwald oder der Fleischerforst. Und im Herzen dieses Reiches befindet sich der Rabenraum, wo sich der Herrscher des Landes befindet, der Schwarze Mann. Abgeschlossen wird das Kapitel mit den Regeln für Monster, einem Baukasten um Monster zu schaffen, und einigen Beispielen zum losspielen. Das sechste Kapitel gibt dem Spielleiter noch einige vorgefertigte Charaktere, ein fertiges Abenteuer und einigen NSC und Abenteuerideen. Abgerundet wird das Buch durch eine kurze Regelübersicht und einige Kopiervorlagen für NSCs, Abenteuerentwurf, Monsterbogen und Charakterbogen.

Fazit:
Eines ist erst mal sicher: Die Alptraum-Edition von Kleine Ängste ist schon fast ein ganz anderes Spiel geworden. Die Charaktere sind nicht mehr (fast) wehrlose Opfer, sondern durchaus kleine Helden, die sich gegen die Monster unter dem Bett zur Wehr setzen können. Das neue Regelsystem ist interessant und schnell erlernt, und auch das neue Land unter dem Bett ist eine interessante Neuinterpretation. Vermutlich wird es auch der geänderte Hintergrund sein, der den meisten Fans Kopfzerbrechen oder Ärger bereiten wird, aber ehrlich gesagt sehe ich da weniger Probleme – es sollte kein Problem darstellen, beide Versionen des Landes miteinander zu verbinden. Wer weiß, vielleicht ist das Land aus der Alptraum-Edition nur eine Maske, mit der der Schwarze Mann mehr Kinder anlocken will, und darunter befindet sich die alte Welt von Kleine Ängste?
Mein Fazit jedenfalls ist, das Kleine Ängste ein sehr gelungenes Spiel um Kinderängste und Kinderträume geworden ist, und ich kann es nur wärmstens jeden empfehlen, der sich je für dieses Spiel interessiert hat, oder der gerne etwas anderes ausprobieren möchte. Es ist weder besser noch schlechter als das alte Spiel, nur eine andere Interpretation des selben Stoffs.