Am Freitag, 28. 6. spielte Leonard Cohen in der komplett ausverkauften SAP-Arena – für mich Anlass, diesen Großen des Songwritings zum ersten und leider möglicherweise letzten Mal live zu sehen. Standing Ovations begrüßen den 79jährigen – und es sei gleich vorab gesagt: Er war jeden Applaus wert. Klar, die Arrangements sind so gehalten, dass viele ausgedehnte (und ausgezeichnete!) Soli ihn als Sänger nicht überfordern, und er nutzt weidlich seinen Teleprompter, auch wenn er dies in publikumswirksames Knien vor dem Auditorium tarnt. Aber Leonard Cohen ist in einem bewundernswerten Zustand. Ich denke, er hätte am Freitag mit dieser Stimme, die klingt, als rieben sich am Grunde des East River Steine aneinander, auch das New Yorker Telefonbuch vorlesen können, unterbrochen von gelegentlichen Klangeskapaden seiner vorzüglichen Band – und alle (inklusive mir) hätten es geliebt.
Leider ist die Stimmung in der Halle zwar zuneigungsgeschwängert, doch trotzdem eher unterkühlt, was sicherlich nicht zuletzt daran liegt, dass nicht wenige der Anwesenden mit Cohen – ALT geworden sind. Der Applaus ist laut, wird aber nie ungestüm.
Dabei hält Cohen an diesem langen Konzertabend sein Versprechen aus der Begrüßung und gibt alles, was er hat (und die Band mit ihm).
Nun kann ja einer wie Cohen entspannt drei Stunden konzertieren, und es klingt wie ein Greatest-Hits-Zusammenschnitt. Die ganze Zeit über dominieren leise, nachdenkliche, sehr intensive Töne in Wort und Musik – und auch im genial-schlichten Lichtdesign. Melancholie, Abgeklärtheit und Altersweisheit heißt der Dreisprung, den der „little jew“, wie er sich selbstironisch nennt, perfekter denn je beherrscht. Auf den perfekten Klängen seiner Begleitmusiker schleichen sich seine teils sehr sperrigen Texte in Ohr und Hirn – und bleiben da.
Die komplette Band tritt natürlich im obligatorischen Anzug auf. Alexandru Bublitchi (Geige), Javier Mas (Bandurria), Cohens musikalisch-literarische Weggefährtin Sharon Robinson und die von Cohen sehr zu Recht als „sublime“ bezeichneten Webb-Sisters (Gesang), aber auch der Bassist und musikalische Leiter Roscoe Beck spielen Cohens Lieder traumwandlerisch schön und zeigen, wie leise Töne wirklich gehen.
Am Ende singt Cohen in „Going Home“: „I love to speak with Leonard/He’s a sportsman and a shepherd/He’s a lazy bastard/Living in a suit”. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.
Leonard Cohens „Old Ideas“ 2013: Ein Konzert, für das ich dankbar bin.
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