Man sollte viel häufiger Abschied nehmen.
Wie ich darauf komme?
Nun, in der vergangenen Woche war ich zum ersten Mal seit 22 Jahren (!) nicht auf der SPIEL in Essen – und siehe da, es ist wie mit dem Abschied von der Fratzenkladde: Mir fehlt nichts.
Anfangs hatte ich dort als Teil des Standpersonals für Welt der Spiele gearbeitet, seit 1991 dann mit Feder&Schwert einen eigenen Stand gehabt.
20 Jahre lang war die SPIEL ein jährlich wiederkehrendes Event – ein Gradmesser für wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg, eine Drehscheibe der Branche, ein Ort des Austauschs mit Fans und Kritikern, aber auch Plattform sozialer Begegnungen mit Menschen, die man nur einmal im Jahr sah.
Natürlich war die SPIEL auch jedes Jahr D-Mark- und später Euro-Grab, auch für uns Aussteller. Ich habe zwar nicht wie so mancher Kunde auf diese Woche im Oktober hingespart und dann alles rausgehauen, aber Geld habe ich immer dort gelassen.
Die SPIEL war immer auch Trendbarometer: Während man in den 90ern den Aufstieg des Rollenspiels nachhalten konnte, indem man die entsprechenden Stände zählte (von wortwörtlich „eine Hand voll“ bis „na ja, Halle 6 eben“), verzeichnet ab dem Jahrtausendwechsel nur noch LARP Zuwächse.
In diesem Jahr sah die Situation in Halle 6 dem Vernehmen nach – s. auch Phantanews – äußerst traurig aus. Da wir uns weitgehend vom Rollenspiel verabschiedet haben, war es für uns schlicht unrentabel, einen Stand zu haben. Engel ist abgeschlossen, Warhammer in allen Inkarnationen durch den Heidelberger Spieleverlag bestens vertreten, und wegn der paar Romanverkäufe lohnt sich der Aufwand einfach nicht. Kostendeckend war die Messeehe nie, doch irgendwann geht die Schere einfach zu weit auf. Dass die reine Ausstellungsfläche mit jedem Jahr unaufhaltsam teurer wurde, erleichterte die Entscheidung nur noch. Aber auch andere namhafte Anbieter, beispielsweise Leder-Joe, Mythodea und Maskworld, glänzten durch Abwesenheit.
Wenn man in diesem Zusammenhang betrachtet, dass die RPC wohl eher nur noch stattfand, weil der Veranstalter einen bindenden Mietvertrag mit der Messe-GmbH hatte, und die FantasyDays der größte Schlag ins Wasser seit dem Turmbau zu Babel waren, kann man, glaube ich, getrost orakeln, dass die Zeit der großen Conventions Geschichte ist. Ihre Attraktion ist in Zeiten, in denen ich online zu jeder Tages- und Nachtstunde mehr Auswahl habe, als selbst der größte Messestand je bieten kann.
Hinzu kommt eine völlige Unflexibilität der Veranstalter, denen es offenbar nicht um Vielfalt, sondern um schwarze Zahlen geht – ich weiß auch sicherer Quelle, dass mindestens einer der oben genannten Aussteller bei einem Entgegenkommen in puncto Standgebühren wiedergekommen wäre.
Dass der Eindruck stimmt, der Rollenspiel-Bereich sei stets das ungeliebte Kind der Messe, das enfant terrible, das man zwar immer wieder dabei hat, aber den Veranstaltern tatsächlich nicht wichtig ist und man sich keine ernsthaften Gedanken darum macht, ob dort Anbieter fern bleiben oder nicht, stimmt, steht zudem außer Frage. „Sie sind halt Freaks, aber ihr Geld nehmen wir gern …“
Mich jedenfalls wird man auch nächstes Jahr dort nicht sehen, wenn die SPIEL 30 wird. Ich komme dort nicht vor – was soll ich dann da?
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