Wut & Zärtlichkeit

Die Veranstaltungsreihe, die das Konstantin-Wecker-Konzert am Samstag hier im Luisenpark eröffnete, heißt „Seebühnenzauber“ – und besser kann man das Konzerterlebnis nicht mit einem Wort umreißen.

Wir hatten die Karten zum Konzert bei einem Preisausschreiben der GEMA gewonnen, aber das tat der Freude keinen Abbruch.

Ab mittags hatte es in Ludwigshafen drüben gebrannt. Eine apokalyptische schwarze Rauchwolke hatte den Kurpfalzhimmel beherrscht. Aber davon merkte man beim Wecker-Publikum, das in Bier-, Sekt- und Hugo-Laune war, wenig.

Ich hatte Konstantin Wecker, dessen Konzerte früher Pflichtprogramm für mich waren, lange nicht gesehen. Das letzte Livekonzert liegt im letzten Jahrtausend. Inzwischen ist er ein 66 Jahre alter Silberrücken. „Wecker? Lebt der noch?“, hatte der liebe Oli Graute im Vorfeld überrascht gefragt.

Wecker selbst war beißend direkt und witzig, zart und ausdrucksstark und natürlich wie immer ein Virtuose am Flügel. Vor allem aber auch Weckers Band ist Extraklasse an diesem Abend. Das Trio, das da neben dem Meister agiert, besteht aus Jo Barnikel (Keys, Flügelhorn, Percussion), dem musikalischen Leiter der Tour, Jens Fischer-Rodrian, der auf der Live-Doppel-CD zur Tour nur schlicht „Fischer“ heißt und sonst diesen Job bei der weltberühmten Blue Man Group versieht (Gitarren, Percussion, Schlagwerk) und Nils Tuxen (Pedal-Steel-Gitarre, Gitarren, Bass, E-Sitar, Mundharmonika, Gesang).

Barnikel ist seit 1993 musikalischer Begleiter von Konstantin Wecker, und die beiden harmonieren blind. Beide spielen ihr Instrument, als hätte Wecker es geschafft, an zwei Flügeln gleichzeitig zu agieren. Wecker nennt ihn seinen „musikalischen Lebensgefährten“, und so atemberaubend gut klingen die zwei auch zusammen. Überhaupt kleidet das Trio alte wie neue Stücke in musikalische Gewänder, die neben Nostalgie und Freude an den mir noch unbekannten Stücken vor allem Spaß an dieser virtuosen Musikalität aufkommen lässt.

Drei Stunden inklusive Pause spielen Konstantin Wecker und Band neue und alte Stücke.

In die Zugabe kommt störend der Regen. Aber die vier lassen sich nicht stören, decken die Instrumente ab, spielen weiter. „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist.“ Wecker geht im Publikum spazieren. „Questa nuova realtà“.

Aufrufe zur Empörung stehen gleichberechtigt neben dem großen Werk „Weltenbrand“, Rilke-inspiriert, und Anti-Merkel-Couplets.

Die weiteren Konzerte des Sommers dürften es schwer bei mir haben.

Comeback der Blumenkinder?

Ich bin zwar noch nicht sicher, ob wir uns wirklich demnächst vor Batikhemden, ungezähmtem Haupthaar, Grasgeruch und Blumen in der Frisur in den Städten wirklich nicht mehr werden retten können (wär mal ne nette Abwechlung von all den Hipster-Dutten, Stofftaschen, die irrtümlich als Jutetaschen bezeichnet werden und Pseudo-Intellektuellenbrillen), aber jedenfalls wollte ich euch dieses nette Video, auf das ich im Rahmen meiner unermüdlichen Suche nach deutscher Wortgesangskunst stieß, nicht vorenthalten.

Ach ja: Cäthe, über die ich jüngst hier schrieb, hat den Fred-Jary-Preis 2013 als beste deutsche Texterin erhalten. Zu Recht. Gratz.

So und nun ohne Umschweife, hier ist  Maike Rosa Vogel mit Ich bin ein Hippie.

Eins in die Fresse, mein Herzblatt

Meine folgende Besprechung erscheint heute gleichlautend auch unter der Rubrik „Alte Meisterwerke – frisch entstaubt“ auf Ein Achtel Lorbeerblatt (Link s. rechts).

Fresse_WBZu Beginn an herrscht eine eigenartige, gespannte Stille auf Eins in die Fresse, mein Herzblatt, einem ursprünglich als Live-Doppel-LP mit ausführlichem Booklet erschienenem Konzertmitschnitt des aus der DDR ausgebürgerten Liedermachers im Audimax der FU Berlin vom 25. Mai 1980.

Im Oktober steht eine Bundestagswahl an, die zu beeinflussen er sich auf Deutschlandtournee gemacht hat. Hautnaher kann man den 1936 geborenen Biermann sicher kaum erleben. Spannender ist allenfalls noch das Kölner Konzert. Der Titel der Tournee lautete „Es grünt so grün“, und entsprechend dreht sich vieles um diese anstehende Wahl, das Kanzlerkandidatenpaar Schmidt und Strauß und das damals im Parteienspektrum noch neue Phänomen der Grünen. So spottet er in der Anmoderation zu seiner berühmten Ermutigung, er habe ja, als er das Lied in der DDR schrieb, nicht ahnen können, dass es sich (wohl wegen der Zeilen „Das Grün bricht aus den Zweigen/Wir wollen es allen zeigen/Dann wissen sie Bescheid“) mal „so schön zweckentfremden lassen würde als grüne Hymne“. Aber: „Wir teilen uns das Lied jetzt einfach: Ich sing’s auch noch.“

Dieser leicht illusionslose, dabei aber zugleich lakonische und bissige Tonfall – und Biermann redet viel mit seinem Publikum, reagiert und improvisiert – bestimmt den gesamten Doppeltonträger. Schon wenn er beim Einstieg, dem Gedicht Der Herbst hat seinen Herbst auf ein Kinderlachen aus dem Publikum hin die Juxtaposition der Worte „sanft und „frisst“ ausführlich rechtfertigt wird deutlich, dass Biermann am besten im (selbst-)ironischen Dialog mit seinen ZuhörerInnen ist. Und dann zeigt er sich von all seinen Seiten, als Poet und Hetzer, Barde und Bühnenkünstler – und als sehr guter Musiker. So entstehen grelle und leise Töne, da ist Platz für Lyrik, Lieder von extremer Intensität und Worte von mitreißender Energie. Neben aktuellen Bezügen blitzt immer wieder Biermanns Biografie auf: Biermanns Vater, Kommunist und Jude, wurde 1943 in Auschwitz ermordet, und die gesamte zweite Hälfte der ersten Platte setzt sich mit Titeln wie Gemütlicher Faschismus und Hausrecht in Dachau mit dem Neofaschismus in Deutschland auseinander.

Der zweite Tonträger eröffnet mit Gesamtdeutscher Strauß eine sich über mehrere Titel hinziehende Auseinandersetzung mit dem Bayern. Strauß ist das Feindbild des Abends, Biermann karikiert seine körperlichen Merkmale: die „feiste Fratze“, den „Nackenspeck, von kaltem und heißem Schweiß bedeckt“ und wünscht ihm den Tod: „Ja, und wenn überhaupt noch ein Starfighter runter stürzen muss, dann soll es, dann soll es der Dicke sein.“ Da spricht blinde, auf Tötung des (politischen) Gegners abzielende Verbitterung, und da wird Biermann auch dem wohlmeinenden Hörer kurz fremd.

Ein wichtiges Gegengewicht ist da eins der wundervollsten Biermann-Lieder: das Totenlied auf Rudi Dutschke, seinen politischen Weggefährten, ein brennender Schmerzensruf im Rahmen einer edlen Komposition, die manchmal nur ein Klopfen auf dem Korpus der Gitarre ist und am Ende mit ein paar zarten Klängen vergeht – ein Nekrolog in Musik.

Der Titel der Platte stammt ebenfalls aus einem Moderationstext; ehe Biermann seine Variante des bekannten Liedes Trotz alledem, das auch Hannes Wader schon mehrfach neu betextete, singt, erklärt er, er nutze im Gegensatz zu anderen deutschen Liedermachern die Originalmelodie, zu der Robert Burns den Urtext schrieb: Lady McIntosh’s Reel. Die unterscheidet sich zwar nur in einem Ton, „klingt aber mehr so nach ‚Eins in die Fresse, mein Herzblatt‘“. Natürlich gibt’s auf dem Weg zu diesem furiosen Schlusslied auch „Hits“ wie die schon erwähnte Ermutigung oder Soldat, Soldat.

Es liegt ein zwölfseitiges Booklet mit allen Songtexten und Zeichnungen Biermanns bei.

Mehr unter: www.wolf-biermann.de

Alte Eidgenossen und junge Schweizer: Manuel Stahlberger – Innerorts

Klingt extrem spannend, finde ich.

Ein Achtel Lorbeerblatt

Melancholischer Satiriker mit kühlem Sound und Salzburger Stier im Gepäck

ManuelGnos

Foto:ManuelGnos@MühleHunziken2011

von Markus Heiniger

Auf dem „Lorbeerblatt“ über Manuel Stahlberger zu sprechen, ohne seine in St.Galler-Dialekt gesungenen Texte zu verstehen, ist, um hier gerade zu Beginn einen Vergleich zu wagen, wie über die Chaostheorie zu diskutieren, ohne je mit Schmetterlingen in Kontakt gekommen zu sein. Ich erlaube es mir hier (unten) deshalb kurzerhand, zwei seiner Songs zu Deutscher Prosa zu machen, so, wie es „Stiller Has“ in seinem Booklet ja auch tut. Das ist zwar ein wenig, um bei gewagten Vergleichen zu bleiben, als presse man eine Skulptur auf ein Blatt Papier. Aber ein mit Sorgfalt flachgepresster Rodin unterscheidet sich ja allemal noch ganz gut von der Silhouette eines Giacometti und diese sich wiederum vom Schattenriss einer Mickey Mouse und so weiter. – Wobei uns bei Stahlberger vielleicht eher der Maler Francis Bacon in den Sinn kommt als Giacometti. Oder…

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