Ausgekifft

fdpIch hätte ja nie gedacht, dass ich ausgerechnet für die FDP eine Lanze brechen würde. Aber ich war gestern Nacht Herrn Lindner einigermaßen dankbar, dass er diesem unwürdigen  Schauspiel namens „Sondierungsgespräche“ ein Ende bereitet hat.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Nach der klugen, richtigen  und ebenfalls dankenswerten Entscheidung der SPD für die Opposition brauchten die  dreieinhalb theoretisch gemeinsam zu einer Regierungsbildung rechnerisch befähigten Parteien acht Wochen, um zu überlegen, ob sie überhaupt Koalitionsgespräche führen wollen. (Ich verkneife mir jetzt jegliche Auslassungen über die CSU, ein regionales Kuriosum wie Grüne Soße und Kochkäse, und deren gefühlte, tatsächliche usw. Relevanz). Dabei hätte jede WählerIn, der/die Parteiprogramme liest und Aussagen vor der Wahl noch halbwegs ernst nimmt (es sei denn, sie kommen von Frau Merkel und beziehen sich auf die Maut), auf Anhieb sagen können, dass das nicht laufen wird.

Denn Hand aufs Herz: Einer der Gründe für die grassierende Politik- und Parteienverdrossenheit ist doch, dass man „denen da oben“ (welch lächerlicher Gedanke, haben wir ihnen doch gestattet, sich zu ent-heben) nichts mehr glauben kann. Die Biegsamkeit der eigenen Standpunkte, sobald irgendwo ein Eckchen Macht winkt, war zumindest für mich persönlich zunehmend problematisch.

Also seien wir froh, dass der Herr Lindner es gemerkt hat – spätestens die grüne Parteibasis hätte bei ihrer Abstimmung vermutlich dasselbe gesagt. Außerdem wurden so Grüne und FDP nicht glattgemerkelt (=abgeschliffen), wie es mit der zur Unkenntlichkeit Merkel-eingenordeten ehem. Volkspartei SPD in der GroKo geschah.

Also lasst uns unverkrampft neu wählen – ja, der Weg dorthin ist verfassungsrechtlich tricky, aus Angst vor Weimarer Verhältnissen … geschenkt, das schafft der Herr Steinmeier schon.  Außerdem haben wir ja Zeit – ich zumindest habe mich nach der Wahl nicht weniger (oder gar schlechter) regiert gefühlt als davor.
Und noch ein Nachsatz zu Cem Özdemir und seiner ständigen Bechwörung von „Patriotismus“ als Triebfeder für sein Handeln. In einem klugen Text von Konstantin Wecker heißt es „Nationalismus ist eine lebensbedrohliche Seuche und der Patriotismus dasselbe in folkloristischem Gewand.“ Nur mal so zum Nachdenken.

Ein Kommentar zu „Ausgekifft

  1. Interessante Perspektive, Danke dafür! Dem möcht ich nur hinzufügen, dass die SPD aus ihrer Eigenwahrnehmung ja wirklich keine schlechte Legislaturperiode hinter sich hatte. Ich meine: Mindestlohn, Homoehe und sogar die Regierungspolitik in der Syrienkriegskrise hätte die SPD alleine wohl kaum anders oder gar besser gemacht. Sie hat nur nicht hinbekommen, das zu verkaufen. Falls Du das mit glattgemerkelt gemeint hast, habe ich nichts gesagt. 😀

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